Positionen

¯\_(ツ)_/¯

»er und seine Kollegen gehen davon aus, dass die Atmosphäre / wegen der geringen Schwerkraft ins All abfließt«. Im Juli publizierte Jenny Schäfer ihr Faltblatt Annahmen (shrug). LÜCKE präsentiert dazu einen Text von Nina Lucia Groß.

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»In its 11 strokes, the symbol encapsulates what it’s like to be an individual on the Internet. With raised arms and a half-turned smile, it exudes the melancholia, the malaise, the acceptance, and (finally) the embrace of knowing that something’s wrong on the Internet and you can’t do anything about it[1]

»There’s always a bit of a melancholic undertone. It’s like if YOLO grew from a reckless teen to an overly pensive twenty-something.«[2]

»Nobody has any actual free will, and nothing we do is chosen — what happens now is just what happens, and we make up stories about it that make it seem like things happened for reasons and cause and effect aren’t just mirages of our flawed perception of a fundamentally static and fixed system.«[3]

Neun Bilder auf dunkelgrünem Hintergrund, neun geöffnete Fenster auf einer Sphäre, die eine Fläche ist, neun Tabs. Jemand hat sie ausgewählt, jemand hat sie beschnitten, jemand hat sie über- und nebeneinandergelegt, jemand zeigt sie uns.
Ihre Zusammenhänge ergeben sich aus Ähnlichkeiten, aus Erinnerungen, aus Assoziationen, manche scheinen die Fragen der anderen zu beantworten, manche schreiben sie fort, sie doppeln sich, sie widersprechen sich. Sie behaupten, sie nehmen an, sie folgern. Tun sie das? Oder sind sie zufällig da? Sie zucken mit den Schultern.
Total Randomness. Eine Erfahrung, ein Gefühl, ein Witz, eine Strategie. Alles ist zusammenhangslos, alles ist gleich wichtig, gleich flach, gleich unwichtig. Reihenfolgen und Anordnungen exportieren keine Bedeutung oder hundert, Bilder und Lieder und Annahmen laufen im Shuffle Modus. Manchmal wiederholen sie sich dabei, es fällt niemandem auf. Du und ich zucken mit den Schultern. Wir öffnen noch ein Tab, wir klicken auf den nächsten Link, wir lesen den zufälligen Wikipedia Artikel, wir zappen weiter, Back to Browse. Wir formulieren unsere Sätze mit einem Fragezeichen am Ende, Gedankenstrich, oder auch nicht. Wir zucken mit den Schultern.
Die Randomness ist hierarchielos. Sie ist so flach wie dein Desktop. Sie fließt in alle Winkel und Ecken, sie fließt aus ihrer Form. Jede ihrer Behauptungen ist in Anführungszeichen gesetzt. Woran du glauben willst, das suchst du dir ganz alleine aus, Bilder und Sätze werden gezogen wie Tarotkarten, du zählst bis hundert, du sagst stopp und wir halten fest: Das ist ein Aussagesatz. Das bist jetzt du. Du zuckst mit den Schultern.
Die Randomness ist anstrengend. Sie zermürbt, sie macht uns müde. Wir versuchen, Klarheit zu schaffen. Welche drei Gegenstände nimmst du mit auf die einsame Insel? Welches sind die letzten vier Dinge? Welche Bilder schicken wir ins Weltall? Was kommt in deinen Bunker? Reis oder Kartoffeln? Hunde oder Katzen? Taylor Swift oder Beyoncé? Klimawandel oder Seenotrettung? Altbau oder Reihenhaus? Pest oder Cholera?

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[1] Robinson Meyer, How to type the ¯\_(ツ)_/¯ shrug emoji on every platform, 21.05.2014 https://www.theatlantic.com/technology/archive/2014/05/the-best-way-to-type-__/371351/

[2] Caroline Eisenmann, zit. n. Kyle Chayka, The Life and Times of ¯\_(ツ)_/¯, 20.05.2014 https://www.theawl.com/2014/05/the-life-and-times-of-¯_ツ_¯/

[3] Rusty Foster, zit. n. Kyle Chayka, The Life and Times of ¯\_(ツ)_/¯, 20.05.2014 https://www.theawl.com/2014/05/the-life-and-times-of-¯_ツ_¯/

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Angaben zur Edition Annahmen (shrug) von Jenny Schäfer:
Faltblatt
59,4 x 84,2 cm, 4C-Digitaldruck,
115g Affichenpapier, gefalzt
Auflage: 50 Stück
Preis: 25 €
Zu bestellen unter: kontakt@jennyschaefer.de

Nina Lucia Groß
Geboren 1990 in Salzburg, lebt in Hamburg. Sie hat an der Universität für Angewandte Kunst Sprachkunst und an der Universität Wien Kunstgeschichte studiert. Heute ist sie Doktorandin der Kunstgeschichte an der Universität Hamburg, freie Mitarbeiterin im Textem Verlag Hamburg und im Kunstverein Harburger Bahnhof, sowie Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins femrep e.V. Sie arbeitet als freie Autorin und Kuratorin in unterschiedlichen Zusammenhängen.

Jenny Schäfer
Geboren 1985, lebt in Hamburg. Sie entwickelt installative Arrangements ihrer Fotografien in Kombination mit Objekten und Text. Sie hatte Einzelausstellungen u.a. im Münchner Stadtmuseum und in der Galerie in der Wassermühle Trittau. Zuletzt erschienen die Bücher Mystery Hystery (2016) und I can’t relax (2017). Sie wurde 2018 mit dem Hamburger Arbeitsstipendium ausgezeichnet.

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