Florian Kuhlmann, Künstler und Programmierer, wird am 24. Februar 2018 in Nürnberg ausstellen – zusammen mit Götz Gramlich und Timothy Shearer. High Res Low Brow wird die Show heißen, die sich mit Bots beschäftigt, mit einem mysteriösen Brummen und Bluetoothverbindungen in Babylon – alles unter der Prämisse einer metamodernen, künstlerischen Praxis. Vorab auf LÜCKE: Ein Chat als thematischer Teaser.
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Joshua_24.1.2018_20:30
angenommen, boris becker wäre ein außerirdischer: wie würdest du ihm die funktion eines fidget spinners erklären?
Florian_24.1.2018_22:38
um vorab bißchen klarheit bei uns beiden zu schaffen, würde ich natürlich erst mal ein bild von fidget spinnern googlen. ich würde ihm dann aber auch ganz offen und ehrlich gegenüber zugeben, dass wir keinen blassen schimmer haben, wofür fidget spinner ursprünglich konzipiert waren und vor allem aber, dass wir überhaupt keine vorstellung davon haben, wie man sie denn anwendet. einmal abgesehen von ein paar zufälligen ergebnissen, was die haltung angeht, fischen wir da ja aktuell komplett im trüben. einzig eben den zusammenhang mit den bots, den würde ich ihm wohl schon noch mit geben.
Joshua_25.1.2018_08:43
kannst du den zusammenhang mit den bots noch mal kurz pitchen?
Florian_25.1.2018_09:02
ja die zusammenhänge von den bots, die werden jetzt so langsam deutlich. das läuft natürlich alles auf einer intuitiven ebene ab, also viel mit fühlen. rational geht das alles gar nicht mehr. und von daher habe ich das gestern abend beim kung-fu training im dojo auf einmal »gewusst«. es gibt da ja bereits den zusammenhang zwischen den fidget spinnern und dem brummen, das hatten wir ja auf dem schirm. aber jetzt kam eben raus, im dojo, dass das brummen von den bots erzeugt wird. und das ist eine interessante wendung auf einmal. das hatten wir so vorher nicht auf dem schirm. bemerkenswert ist aber, dass wir schon die ganze zeit über ein meme nachgedacht hatten wegen der show in nürnberg.
und jetzt wurde auf einmal klar warum. karl klammer ist ja mit einer der ersten bots überhaupt gewesen. da fügt sich also gerade was zusammen. wir sind da sehr optimistisch derzeit. aber die message in dem meme ist natürlich auch teil der ganzen sache und super wichtig.
Joshua_25.1.2018_09:22
gibt es infos zur bio von karl klammer? (also quasi wann ist der dude zum ersten mal aufgetaucht etc.)
Florian_25.1.2018_11:45
klar gibt es infos zu karl klammer. karl – englisch clippy – ist teil des microsoft agent projekts. das dürfte den meisten von uns noch aus den früheren office versionen bekannt sein. meganervige popups, die immer zu den seltsamsten events kamen und quasi nie wirklich helfen konnten. karl war ja teil einer family aus charakteren zu denen auch peedy, merlin, genie und robby gehören. angeblich war das ganze projekt eine herzensangelegenheit von melinda gates, was einer der gründe gewesen sein könnte, warum sich die agenten so lange in der microsoft welt halten konnten, obwohl die niemand so richtig geil fand. erst mit windows 7 gab’s dann keinen support mehr für diese bots, die ja im nostalgischen rückblick irgendwie doch auch nice waren in ihrer unschuld.
Joshua_25.1.2018_12:01
angenommen, boris becker wäre kein außerirdischer: wenn er twittern würde »was ist 1 fidget spinner?« – was würdest du drunterkommentieren, wenn du auf einen retweet aus bist?
Florian_25.1.2018_12:29
drunterkommis sind natürlich megawichtig geworden, mache ich auch gerne. will aber ehrlich zu dir sein, weil ich da nicht sehr gut drin bin, andere zum retweet zu bewegen. das ist in meinen augen sehr hohe kunst und ich habe da großen respekt vor leuten, die diesen witz und humor in ihren grind rein bringen, so dass es andere auf twitters so richtig mitreißt und begeistert. das ist saustark. ich habe da noch einen langen weg vor mir.
Joshua_25.1.2018_17:12
mit welchen eigenschaften würdest du euren zugang zur metamoderne beschreiben?
Florian_25.1.2018_20:21
zum einen gibt es die 3 wichtigen merkmale.
1. niemand weiß, was die metamoderne ist (wobei wir das eventuell modifizieren müssen in »kein mensch weiß, was die metamoderne ist«, es könnte nämlich sein, dass die bots bescheid wissen… wir versuchen gerade, das zu klären).
2. die metamoderne ist nur so ein gefühl (eventuell unser vorteil aktuell gegenüber den bots?)
3. die metamoderne beginnt immer jetzt.
und dann gibt es noch so eine übergreifende beobachtung dazu. das ist das oszillieren zwischen den kontrasten, den polen und den widersprüchen. vor allem dieses unglaublich schnelle, fast zeitgleiche oszillieren zwischen den eigenen widersprüchlichkeiten macht die metamoderne so geil und anstrengend, weil mystisch und pushend zugleich.
Joshua_26.1.2018_10:17
andere frage: wie geil kann es eigentlich noch werden?
Florian_26.1.2018_11:57
gute und wichtige frage, die mich aktuell auch umtreibt. ich kann natürlich auch nicht in die zukunft schauen und es bleibt nur der blick auf das jetzt. bezüglich der geilheit könnte es sich ähnlich zu diesen mathematischen funktionen verhalten, die sich einen wert (z.b. 1) immer weiter annähern, ihn aber nie erreichen. das ist so ein wenig unser lebensgefühl auch gerade, immer kurz vorm abspritzen, immer horny, also ganz knapp vorm klimax, aber wir kommen nie über diesen mystischen punkt hinaus. klingt bißchen hart und viel nach ständiger enttäuschung, ist es auch. aber! gibt, wenn man sich drauf einlässt, auch ne unglaubliche power. das zieht uns alle permanent brutal voran, obwohl eigentlich ja gar nix passiert. das muss man natürlich mögen und auch genießen können, weil das schon auch anstrengend ist.
Joshua_26.1.2018_12:04
noch mal real talk zu robin van den akker und timotheus vermeulen, die eine begriffsdefinition und erläuterungen zur metamoderne vorgelegt haben. seht ihr da ein problem, euch daran messen zu müssen oder das in der praxis umsetzen zu müssen oder euch davon abgrenzen zu müssen? oder wie ist da die attitüde?
Florian_26.1.2018_12:30
die antwort ist wahrscheinlich sowohl als auch und weder noch. weil klar gibt’s überschneidungen z.b. beim oszillieren der dinge, das sind ja sehr scharfe beobachtungen der beiden, bei denen ich voll mitgehe. aber genauso gibt’s halt auch divergierende sichtweisen und interpretationen. aber das liegt in der natur der sache. die dinge in der welt stehen ja auch in der metamoderne miteinander in verbindung trotz und zugleich wegen des internets. und wer da jetzt was wie gesagt, erdacht und formuliert hat, lässt sich doch gar nicht mehr richtig sagen. auch schon vor dem internet nicht, jetzt aber eigentlich noch weniger. eines eventuell aber, es gibt ja noch ne ganze menge anderer kluger köpfe zum thema, z.b. die jungs um hanzi freinacht und metamoderna.org, die ja auch fantastische arbeit machen derzeit. und irgendwie spielt das natürlich alles rein in unsere überlegungen hier im rheinland. das grundproblem bleibt aber wohl darin bestehen, dass ja niemand wirklich weiß, was die metamoderne denn eigentlich ist. von daher ist es natürlich auch unmöglich zu sagen, wo wir ähnliche zugänge haben und wo es unterschiedliche perspektiven gibt, welche beschreibungen von wem denn also mit der wirklichkeit übereinstimmen. die komplexen feedbackeffekte zwischen beobachter und dem sujet lassen wir jetzt mal außen vor. aber! man wird im laufe der zeit ein gefühl für und ein grundvertrauen in die metamoderne entwickeln können. wenn sich die sache in einigen dekaden etwas beruhigt hat. da bin ich mir sicher. und dann werden wir uns das noch mal in ruhe ansehen. jetzt ist es für solche analysen noch zu früh, denke ich.
Joshua_27.1.2018_09:41
aber würdest du sagen, dass so was prinzipielles wie z.b.
According to them, the metamodern sensibility »can be conceived of as a kind of informed naivety, a pragmatic idealism«, characteristic of cultural responses to recent global events such as climate change, the financial crisis, political instability, and the digital revolution (Wikipedia)
dem nahe kommt, was ihr darüber denkt? oder konkretisiert sich eure ausgestaltung der metamoderne permanent wandelnd in der künstlerischen praxis? (wenn ja, ist es dann trotzdem wichtig, das, was ihr macht, metamoderne kunst zu nennen?)
Florian_27.1.2018_11:08
da würde ich in beiden punkten erst ein mal so mitgehen wollen. wenn ich über das fühlen und nichtwissen spreche, dann gibt es da ja klare übereinstimmungen mit dem, was im wikipedia drin mit »naivität« anskizziert wird. da sind ja deutliche parallelen zu erkennen. ich würde es halt nicht unbedingt »naivität« nennen, sondern eher so eine art »bewusstes nichtwissen«, wie man es etwa auch im zen wiederfindet. oder eben auch in der vergangenheit unserer europäischen denkschulen wie »ich weiß, dass ich nichts weiß«. diese erkenntnis ist ja nach wie vor existentiell und gültig. und gleichzeitig geht es uns natürlich viel mehr um so eine art der künstlerischen praxis, wie du es nennst. obwohl das, bei mir zumindest, gar nicht so zu genau trennen ist, auch weil ich ja durch das studium bei hans ulrich reck, einem philosophen, stark aus dieser Richtung geprägt bin. in letzter instanz bin ich und sind wir aber wohl poeten, künstler – und in unseren ansätzen mehr dem machen und tun als dem reinen denken zugewandt. aber die übergänge sind da fließend. eventuell kann man sagen, die metamoderne ist so eine art partitur, die derzeit aus verschiedenen richtungen und positionen heraus interpretiert wird. die unsrige – wobei eigentlich gar nicht so ganz klar ist, wer das »wir« in diesem fall ist – also die unsrige interpretationen ist sicherlich stärker geprägt von dada, fluxus, internet und dem NON, während aus anderen richtungen ein anderer sound kommt.
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Florian Kuhlmann bloggt mit befreundeten Künstlerinnen und Künstlern auf perisphere über metamoderne Ansätze, NON und anderes.
Die Ausstellung High Res Low Brow wird am 24. Febraur 2018 im Galerie- und Atelierhaus Defet eröffnet, um 20 Uhr.
Gustav-Adolf-Str. 33, 90439 Nürnberg.