Diskurs

Wie viel Fledermäuse hörst du?

Der Journalist Erhard Michael Och (*1960) verbrachte eine Stunde mit Judith Eggers Installation Hundun, die Alltagskultur und mystische Vorzeit, Ultraschall und Unbewusstes verbindet. Ein assoziativer Erfahrungsbericht: Experiment, Meditation, Verbindungsmaschine.

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ich betrete den dunklen, höhlenartigen raum mit dem fiepen, zirpen, schaben, kratzen, krächzen, den bildern auf den drei monitoren, den verkabelungen, … / simurgh / ich suche mir einen platz, zuerst bei dem erdhaufen, doch dann ist es für mich noch stimmiger, meine schurwollunterlage mit dem kapokzenkopfkissen direkt unter hundun zu platzieren / ich entdecke dort eine herabhängende holzwildwurz, wo grünzeug und eine weiße blüte rauswächst mit regenwaldanmutung, … / baumelnde glasmurmeln in einem feinen netz laden mich dazu ein, sie zu berühren und ihnen klänge zu entlocken. ich lege mich hin, ruhe auf dem boden, schließe die augen, mache mich leer, nur gefäß sein, … , die geräusche hüllen mich ein, ein rascheln, ein reiben, ein zündeln, ein zerreißen, ein stoßen, tummeln, kleine käferlein … / orchi-ideen / … mein aufenthalt im windloch, einer schachthöhle, wo ich vor einigen jahren auch allein ruhte, tief unten im schoß der erde, senkrecht über mir der sternenhimmel, nachts, taucht in meinem geist auf, wie da die ängste schwanden und die fledermäuse mich umschwirrten, einhüllten, einwebten und eine tiefe feine sprühende geborgenheit in und um mir war, … / lost lust lost / trauer steigt auf in mir, ich unter hundun liegend / über die jahre, die vergangen sind, unwiederbringlich, … dieses gefühl, viele jahre nur irgendwie überlebt zu haben, getrennt, … / wollwuselseeigelzeltplanenbaumilchschaum / … ich krieche dann auf allen vieren um hundun, lasse mich von der dokumentierten klangperformance von j. und n. in münchen inspirieren, lasse die löffelchen schnellen, vogelpfeife fiepen, ohrwürmchen unhörbar kriechen, wabbelnde plastikeuter wummern, erkunde mit händen und armen allsaitig die schwarze, blättrige, pustelige, fellige, jede menge überraschungen bereithaltende haut von hundun, … / matsch, wasserrinnsale, … / die ultraschallbilder wie militärische spähanlagen, die das nächtliche land abscannen / schillernde libellen / die klangperfomerinnen mit ihren stirnlampen, helmen: bergwerkerinnen, archivarinnen, stollentreiberinnen … / das vorsichtige streichen des geigenbogens auf dem narbigen widerständigen, … / … goldene röhrenknochen aussaugen / … meerbug … / widderhörner / i can hear trumpets.

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(verbindungmaschinen zusammenbauen: der organlose körper bei deleuze / kleist über das marionettentheater / nietzsches verkündigung des todes gottes (der tolle mensch) / sleeping giant auf herbie hancocks crossings (1972) / neues paradigma: hundun bewusster gedacht als wir unbewusste / dschuang dsi’s freude der fische)

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Alle Abbildungen © Erhard Michael Och.

Judith Eggers Ausstellung Hundun ist noch bis zum 23. September 2017 im Nürnberger Atelier- und Galeriehaus Defet zu sehen.
Interview mit Judith Egger auf LÜCKE.

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