Positionen

Wie soll ich mich entspannen?

Gefangen im Dilemma einer katastrophischen Gegenwart, realitätshörig, bewältigend, belegt mit Hypotheken, sehnsüchtig nach Science-Fiction: Das Institut für moderne Kunst gibt die Reihe unendlich unwahrscheinlich im Berliner SuKuLTuR-Verlag heraus. Jetzt erscheint Band 01: I can’t relax von Anja Kümmel und Jenny Schäfer.

Jenny Schäfer_I can't relax_Sticker

Die Künstlerin Jenny Schäfer hat für I can’t relax auf einer Sicherheitsmesse fotografiert. Ihre Bilder zeigen, wo aus Skepsis Paranoia wird, sie zeigen maschinelle Rationalität und die erschöpfende Panik in Zeiten der unausgesetzten Krise: Überwachungskameras, Sensoren, Trackinggeräte, Bewegungsmelder, Erkennungssoftware, Schutz, Angst, Verriegelung. Was ist das für ein Leben, wenn wir alles daran setzen, nichts mehr dem Zufall zu überlassen? Wenn wir unsichtbare Hochsicherheitstrakte um uns herum errichten? Können wir uns dann überhaupt noch verständigen? Diese Fragen werden von der Autorin Anja Kümmel aufgenommen und weitergeführt. Auch in ihren Überlegungen finden wir die Auswüchse unserer wahnwitzigen Sicherheitsbestrebungen wieder. Alles wird aufgezeichnet, alles wird Information. Sie schreibt unter anderem:

»Der blinde Fleck markiert das Ufer des Nichts. Selbst uns selbst sehen wir ja nie ganz. Es bleiben die Reste eines Unbehagens, haben wir gerade keinen Rundumspiegel zur Hand. Körperteile, die wir zwar spüren, deren Festgewachsensein an uns wir aber nicht überprüfen können. Extremitäten, die enden, wo die Dehnbarkeit unserer Nacken-, Schulter-, Brustmuskulatur an ihre Grenzen stößt. Erst das Auge Gottes setzt uns zusammen. Übersetzt ins Jetzt: die totale Transparenz. Fast erholsam, ja meditativ könnte diese Sphäre absoluten Kontrollverlusts, diese absolute Hilflosigkeit sein. Auch wenn, oder gerade weil heute die Überwachungsinstrumente zu klein, zu gut versteckt sind, um sie mit bloßem Auge zu erkennen. Fliegen an der Wand, Mikrochips unter der Haut. Und wir nicht einmal wissen, ob hinter der Kameralinse, den tausend Schirmen, den gigantischen Datenspeicheranlagen tatsächlich ein Auswerter, gar ein Bestrafer sitzt. Der Subspace aber entpuppt sich als Illusion. Wir können uns nicht erholen. Denn die Drohung Jeder kann das nächste Opfer sein beinhaltet auch ein Versprechen: … und jeder der nächste Gott. Wir sehen die Kameralinse auch deshalb nicht, weil unser Blick unmerklich mit dem des großen Anderen verschmolzen ist.«

Es folgen ein paar optische Eindrücke von I can’t relax:

I can't relax_Anja Kümmel_Jenny Schäfer_Cover
I can't relax_Anja Kümmel_Jenny Schäfer_innen_01
I can't relax_Anja Kümmel_Jenny Schäfer_innen_02
I can't relax_Anja Kümmel_Jenny Schäfer_innen_03
I can't relax_Anja Kümmel_Jenny Schäfer_innen_04

 

 

 

 

*****

Alle Abbildungen © Jenny Schäfer.

Die Reihe unendlich unwahrscheinlich erscheint anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Instituts für moderne Kunst Nürnberg.

unendlich unwahrscheinlich Nummer 01: I can’t relax
ein SuKuLTuR-Produkt
ISBN 978-3-95566-067-3

Herausgeber: Institut für moderne Kunst Nürnberg und Moritz Müller-Schwefe

Bestellbar unter info@moderne-kunst.org
(4,– Euro inklusive Versand.)

Am 28. September 2017 stellen Anja Kümmel und Jenny Schäfer I can’t relax in Nürnberg vor. Im zumikon, Großweidenmühlstraße 21, 90419 Nürnberg. Die Veranstaltung beginnt um 20 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Webseite von Anja Kümmel.
Webseite von Jenny Schäfer.

Iinstitut für moderne Kunst_Aus Gründen_Logo

Article written by:

Dieser Beitrag wurde von der Redaktion veröffentlicht.

x